Herzlich willkommen!
Ich bin Klaus Lederer, Mitglied der Fraktion DIE LINKE. im Abgeordnetenhaus von Berlin und Sprecher für Drogen- und Queerpolitik, außerdem Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und Pflege.
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Natürlich finden Sie mich auch in den sozialen Medien: bei Facebook, Instagram und Bluesky. Gemeinsam mit Elke Breitenbach begrüße ich außerdem jeden Monat im Podcast "hinten links außen" spannende Gäst*innen zu aktuellen Themen.
Mein Abgeordnetenbüro ist gerne für Ihre Anliegen ansprechbar.
Ihr Klaus Lederer
Für eine Politik der Ermöglichung
Mein Input zum #NetzwerkNaturwissen, 13. Oktober 2025
Im #netzwerknaturwissen denken Menschen aus Wissenschaft, Kultur, Initiativen und Museen gemeinsam über eine gestaltbare und nachhaltige Zukunft für #Berlin nach. Am 13. Oktober hatte ich das Vergnügen, in der Leibnitzgemeinschaft neben dem Museum für Naturkunde dort mitdenken zu können. Ich finde, das braucht es noch viel mehr. Einfach weiterwursteln geht nicht. Ich danke sehr für die Einladung und die Möglichkeit, ein paar Gedanken beizusteuern:
Liebe Anwesende,
erst einmal darf ich für die Einladung danken, hier ein paar Überlegungen zu Ihrer Absichtserklärung beizutragen, über die ich mich sehr gefreut habe.
Zehn Minuten dafür sind nicht viel Zeit.
Nehme ich mir den wohl wichtigsten Aspekt Ihrer Erklärung, den Zusammenhang zwischen planetarer ökologischer Zuspitzung und Klimakrise, sozialer Spaltung und Kulturkampf – so fasse ich jetzt mal die Angriffe auf die Wissenschaft und Aushöhlung demokratischer Öffentlichkeiten zusammen – als Bedrohung des Fundaments des gesellschaftlichen Zusammenlebens und unser aller Lebensqualität, zum Ausgangspunkt: Dieser Zusammenhang ist voller Widersprüche und auch absurder Volten, dass die Gefahr, in recht kurzer Zeit nur platte und unbrauchbare Allgemeinplätze zu erzählen, verdammt groß ist. Und tatsächlich bin ich weit davon entfernt, in dieser Debatte, in ihrer Komplexität, einen zufriedenstellenden Überblick zu haben.
Ein Allgemeinplatz ist gewiss, dass die planetare Herausforderung für das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens die übergeordnete, entscheidende Frage ist. In einer Welt, die in immer größeren Teilen für immer mehr Menschen schlechter oder einfach unbewohnbar wird, in einer sich zuspitzenden biophysikalischen Existenzkrise, wird ein zivilisiertes gesellschaftliches Miteinander immer schwerer denkbar. Und mit der Physik lässt sich nicht verhandeln. Das ist ein Problem. Uns rennt bei der Organisation des nötigen sozialökologischen Wandels – zurück in die planetaren Grenzen – schlicht die Zeit weg. Ein recht junges Dokument, der Gemeinsame Aufruf der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vom 25. September, verweist darauf, dass das globale Klima die extrem gefährliche 3-Grad-Grenze der Erwärmung schon 2050 reißen könnte. Das mediale Framing, mit dem mir diese Erklärung zuerst untergekommen ist, war die Forderung, die „Aufgabe von Küstenregionen“ hierzulande vorzubereiten.
Angesichts all dessen überrascht die Gleichmut, mit der alles einfach weitergeht, als gäbe es da kein Problem. Warum das als notwendig Erkannte auf so breiter Linie derart wirkungsvoll verdrängt wird – diese Frage beschäftigt mich sehr. Im Jahr 2025 ist es problemlos möglich, die Eröffnung eines Autobahnabschnitts in Berlin als Kulturleistung zu feiern wie auf Bundesebene die Produktion von Verbrenner-KfZs zu privilegieren und so weiter... Über die „Verteidigung des Wirtschaftsstandorts“ wird daraus eine wirtschaftspolitische Regierungsagenda, die sich als alternativlos, vernünftig und geradezu naturgesetzlich präsentiert. Und es regt sich kein nennenswerter Widerstand. Im Gegenteil: das hat Erfolg.
Dabei ist die Sorge um die Zukunft des Planeten an sich keine Angelegenheit, die die Gesellschaft wirklich spaltet. Dreiviertel der Gesamtbevölkerung äußert in Erhebungen „sehr große“ Besorgnis[1] über den Klimawandel. Aber die politische Bearbeitung des Klimawandels wird heute vordergründig als eine Art von postmodernem Wertekonflikt inszeniert und betrieben, als Kampf zwischen den Generationen oder zwischen den Einsichtigen und den Verstockten. Wenn man so auf den Konflikt blickt, gerät die harte, materielle Dimension der notwendigen Veränderungen systematisch ins Hintertreffen, nämlich, dass eine solche Transformation mit erheblichen Lasten und Zumutungen verbunden ist und dass diese Lasten irgendwer tragen muss.
Das ist aber das Entscheidende. Denn für Menschen in prekären Lebenssituationen oder mit extrem niedrigen Einkommen stellt sich die Frage anders als vergleichsweise gut Situierten. Sie tragen nicht nur regelmäßig weniger zum Klimawandel bei, sondern leiden auch besonders unter dessen Folgen. Während die Reichsten von kapitalistisch organisierter Schädigung unserer Lebensgrundlagen direkt profitieren, sind es die einkommensstärkeren Klassen, die durch Lebensstile und Konsummuster stark dazu beitragen und die damit verbundenen Lasten und Kosten vergleichsweise gut stemmen können.
Ein „Kulturkampf“ entlang von Fragen des individuellen Konsums und der Lifestyle-Präferenzen der Klassen verdeckt und denunziert nicht nur diese Dimensionen von sozialer Ungleichheit in der Frage des Klimawandels. Er hilft auch dabei, die bestehenden und unseren Planeten systematisch zerstörenden sozioökonomischen Verhältnisse zu verdecken und zu legitimieren – und dadurch die Lösung der sozialökologischen Transformationskonflikte zu blockieren. Denn in weniger wohlhabenden Schichten unserer Gesellschaft ist weniger das kognitive Moment relevant, also die Einsicht in biophysikalische Notwendigkeiten, als die Frage, was man sich meint leisten zu können – und ganz real auch, was man sich leisten kann.
Nach dreieinhalb Jahrzehnten Neoliberalismus hat sich in die Köpfe tief eingebrannt, dass die rasanten sozialen Veränderungen, die wir erlebt haben und noch immer erleben, Gewinner und Verlierer produzieren – einige Gewinner und deutlich mehr Verlierer, und dass man, wenn es hart kommt, auf sich selbst zurückgeworfen ist. Wer ohnehin sehen muss, wie es jeden Monat existenziell glatt gehen soll, hat ein ausgeprägtes Sensorium dafür, mit welchen Entwicklungen man etwas zu verlieren oder zu gewinnen hat – oder wenigstens seinen prekären Status quo halten kann. Wenn die anstehenden Lasten der sozialökologischen Transformation zuallererst über die Lebenshaltungskosten und moralische Vorhaltungen bei den Leuten ankommen, wird sie scheitern.
Aber es geht deshalb nicht allein um das Geld im Beutel am Monatsende. Wer empfindet, nicht mehr wie gewohnt über das eigene Leben bestimmen und die veränderten Verhältnisse wenigstens mitgestalten zu können, sondern den rasanten Veränderungen ohnmächtig ausgesetzt zu sein, reagiert mit Blockade. Steffen Mau hat die zurückgehende Bereitschaft in der Bevölkerung, sich den Zumutungen der Gegenwart zu stellen, Veränderungserschöpfung genannt. Es ist also kein Widerspruch, als Teil der arbeitenden Klassen von den Folgen der voranschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen (potenziell) viel stärker betroffen zu sein und individuell das Problem dennoch gänzlich anders wahrzunehmen und zu verarbeiten. Es geht also auch um den Modus der Veränderung. Ist das eine Top-Down-Veranstaltung oder gelingt eine Politik der Ermöglichung, mit der die Menschen darin gestärkt werden, die notwendigen Veränderungen als gestaltbar und sich selbst als Teil dieser Gestaltung zu erfahren?
Wir müssen uns noch viel intensiver damit beschäftigen, wie die Herausforderungen des sozialökologischen Wandels in den gesellschaftlichen Aushandlungskämpfen beschrieben, interpretiert und vermittelt werden. Und schon sind wir in den Sphären von Wissenschaft, Kultur und Politik. Es muss uns gelingen, an die Stelle apokalyptisch-bedrohlicher Prophezeiungen, die „Rette-sich-wer-kann“- oder „Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste“-Szenarien ernsthaft als rationale Verhaltensmuster erscheinen lassen, realisierbare Ideen von Gesellschaftsverbesserung zu setzen. Dabei muss der Fakt sozialer Ungleichheit immer mitgedacht, jeder denkbare Transformationsvorschlag auf seine sozialen Auswirkungen hin überprüft und angepasst werden. Seine Durchsetzungschancen werden ungleich höher sein, wenn er – vor dem Hintergrund vorherrschender, durchaus widersprüchlicher Gerechtigkeitsvorstellungen – als nachvollziehbar und fair akzeptiert wird und im besten Fall den Leuten auch neue Räume von Selbstwirksamkeit eröffnet.
Wir sind hier in Berlin – Großstadt und urbaner Raum. Das ist ja nicht nur eine Ansammlung von Menschen, ein gesellschaftlicher und demokratischer Zusammenhang. Wir können uns Berlin auch einen riesigen Komplex von Infrastrukturen vorstellen. Ohne solche Infrastrukturen keine moderne Großstadt; seien es Verkehrsnetze, die Energiebereitstellung und Abwasserentsorgung, die Waren- und Güterverteilung, der Wohnraum oder Bildung, Kultur und Gesundheitsvorsorge. Wenn wir hier, gemessen an den planetaren Herausforderungen, im Kleinen anfangen wollen, lohnt es sich meines Erachtens besonders, diese Infrastrukturen mit ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen anzuschauen.
Für eine zukunftszugewandte, nennen wir es mal: progressive, Stadtpolitik wäre das ein ganz wichtiges Handlungsfeld. Und dabei könnte sie Unterstützung gebrauchen. Infrastrukturnetze zu schaffen, zu erhalten und zu betreiben erfordert permanent große Stoff- und Energiemengen. Viele davon sind sehr langlebig, Entscheidungen dazu hallen auf Jahrzehnte nach. Wie wir unsere Energieinfrastruktur, unseren ÖPNV oder das Bibliotheksnetz entwickeln, wirkt sehr langfristig auf die Energie- und Stoffbilanz unserer Stadt. Daraus resultieren wiederum Pfad-Abhängigkeiten für zukünftige Entwicklungen, genauso entweder verengte oder erweiterte Mitwirkungsmöglichkeiten der Stadtbevölkerung. Und natürlich werden auch darüber soziale Umverteilungswirkungen erzeugt. Ein klimaadäquater und demokratisch organisierter und getragener Umbau unserer städtischen Infrastrukturen kann also auch ein Beitrag zur sozialen Integration in Berlin sein. Aber wie und mit wem lässt sich das organisieren?
Da ist es praktisch, dass im kommenden Jahr in Berlin gewählt wird. Eher unpraktisch ist es allerdings, dass derzeit kaum über eine Idee von Berlin im – sagen wir mal: Jahr 2040 … oder 2050 gesprochen wird. Was meint dann „Berlin für alle, die hier leben“? Was sind handhabbare Visionen von gestaltbarer Zukunft – und welche Bedingungen brauchen die Leute in der Stadt, vor allem sozial wenig privilegierte Menschen, um daran mitarbeiten zu können? Die herrschende Stadtpolitik wurstelt sich, kreisend um ihre machtpolitische Binnenlogik, eher irgendwie durch. Kann es gelingen, sie mit Ansprüchen an eine Politik von Möglichkeitssinn und mit einem utopischen Überschuss zu konfrontieren? Geht es, auch unter den schwieriger werdenden – vor allem: fiskalischen – Bedingungen, über selbstreferenzielle Bubbles, das Aufreiben im Klein-Klein und über klassenspezifische Interessen an der Erhaltung des status quo hinweg, eine mobilisierende positive Vorstellung von Berlins Zukunft zu entwickeln? Im Detail habe ich da ganz viele Fragen. Aber ich denke, darunter wird es nicht funktionieren.
[1] Mau et.al., Triggerpunkte, 2023, S. 215.
Meine Rede bei der "Shalom-Salam"-Kundgebung
Am 27.09.2025 fand eine Kundgebung der Progressiven Linken im Berliner Lustgarten statt, bei der ich folgende Rede hielt:
Liebe Freund*innen,
auf dem Weg hierher sind mir Menschen auf dem Weg zur Demonstration begegnet, die dort hinten vorbeizieht, die Jutebeutel trugen mit der Aufschrift „Free Palestine!“. Abgebildet waren darauf auch viele Gesichter auf einer Fläche der äußeren Grenzen um Israel, Gaza und Westjordanland. Weitere Grenzen gab es da nicht.
Dass wir – auch deshalb – heute mit unserer Kundgebung hier ein eigenständiges verbindendes, auf Deeskalation, Frieden und Humanität setzendes Signal senden, freut mich sehr und ist unglaublich wichtig.
Weil wir wissen: Es gibt in Gaza, dem Westjordanland UND in Israel, innerhalb wie außerhalb Deutschlands Menschen, die wollen, dass der Hunger endet, dass der Krieg endet, dass die Geiseln freikommen, dass die Rechten und Rechtsextremen, die Islamisten und Fundamentalisten nicht länger die Zivilbevölkerung zum Spielball ihrer finsteren Dystopien machen.
Ja, das wird nicht von selbst geschehen. Dafür braucht es Druck aufs Israels Regierung und Sanktionen gegen die Extremisten in dieser Regierung. Und es braucht Druck auf die Hamas und deren internationale Verbündete, auf das iranische Regime und dessen Stellvertreter-Terrorbanden in der Region.
Was es hingegen absolut nicht braucht und was wir entschieden bekämpfen müssen: rassistische Zuschreibungen und antisemitische Deutungsmuster. Beides bricht sich leider in Deutschland und darüber hinaus massiv Bahn. Wir erleben pauschale Verdächtigungen gegen Muslim*innen und Palästinenser*innen und wir erleben eine unfassbare Eskalation antisemitischer Vorfälle und Angriffe. Beides besorgt und beschämt uns, beides muss uns zu Engagement und Interventionen Anlass sein.
Viele von uns hier verstehen sich als Linke und sind schockiert darüber, mit welchen Einseitigkeiten große Teile der Linken den Krieg in Nahost sehen, welche Projektionen sie in ihn hineinlesen, wie wenig ihnen zu fast allen anderen humanitären Krisen auf dem Planeten einfällt, etwa im Sudan mit über 10 Millionen Vertriebenen den letzten zwei Jahren und 18 Millionen, die dort von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind,[1] oder zu den 14 Millionen zusätzlichen Toten bis 2030, zu denen Trumps Kahlschlag bei der US-Entwicklungshilfe wohl führen wird.[2]
Sehr vielen Menschen, die heute an der großen Gaza-Demo heute teilnehmen, glaub ich, dass es ihnen um ein Ende des Sterbens und des Leids in Gaza geht.
Aber ich kann es nicht allen glauben. Nicht denen, die schon am 8. Oktober 2023 genau zu wissen meinten, dass Israel gerade einen Genozid begehe – und entweder den Terror der Hamas feierten oder als zwangsläufige Reaktion auf die Existenz oder die Politik Israels rechtfertigten.
Nicht denen, die den „Weltfrieden“ besonders und zuallererst durch Israel bedroht sehen, und das schon seit Jahrzehnten.
Nicht denen, die „from the river to the sea“ brüllen und begeistert zur „Intifada-Revolution“ aufrufen, wohl wissend, was die tödlichen Konsequenzen wären.
All jene, die genau wissen, dass die gesamte Geschichte des Nahost-Konflikts eine von israelischer Aggression und Unterdrückung Palästinas sei, ohne nennenswerte Berücksichtigung der palästinensischen Seite, die sich schließlich in einem offenbar alles legitimierenden Widerstand befinde, erwecken in mir sehr große Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer vermeintlichen Friedensliebe. Ähnliches gilt für diejenigen, die auch heute noch glauben, jedes noch so brutale Vorgehen der israelischen Regierung als angemessene Verteidigung gegen die Hamas ausgeben zu können.
Wenn die Veranstalter*innen der „All Eyes on Gaza“-Kundgebung im offiziellen Aufruf zeitlich zurückgreifen, um „ein Ende der seit Jahrzehnten andauernden Vertreibung und der illegalen Besatzung des palästinensischen Gebiets“ zu fordern, aber das weit weniger lang zurückliegende Massaker vom 7. Oktober, das den aktuellen Krieg erst befeuerte, nicht ein einziges Mal erwähnen, sage ich:
Das kann einem von so großen Organisationen getragenen Bündnis bei so langer Vorbereitungszeit nicht versehentlich passieren. Ich kann darin nicht anderes erkennen als das fatale Bemühen, sich den Beifall und die Unterstützung fanatisch islamistischer, antizionistischer und nicht selten antisemitischer Kreise zu sichern.
Und wenn in Europa aktuell Künstler*innen, Musiker*innen oder Wissenschaftler*innen unabhängig von ihren Ansichten, ganz einfach aufgrund ihrer israelischen Staatsangehörigkeit – oder sogar ganz ohne eine solche, nur aufgrund ihres Jüdischseins – boykottiert und ausgeladen werden, dann erleben wir hier nicht etwa eine Reaktion auf aktuelle Geschehnisse, sondern eine traurige Kontinuität in der langen Geschichte des Antisemitismus.
Einige von euch, die mich kennen, wissen vielleicht, dass es mich tief beeindruckt hat, als ich in Berlin den fulminanten, 2021 verstorbenen israelischen Schriftsteller Amos Oz kennenlernen durfte. Einen Literaten und Friedensaktivisten, der die seltene Fähigkeit besaß, stets realistisch und utopisch zugleich zu denken, und der mit einer unerschütterlichen Zuversicht ausgestattet war, dass die Welt zum Besseren verändert werden könne, dass eines Tages Frieden möglich sei.
Intensiv hat er sich viele Jahrzehnte lang dafür eingesetzt, die Friedensbewegung „Peace Now“ mitbegründet und für eine Zwei-Staaten-Lösung gekämpft. Unerbittlich warb er auf allen Seiten für Kompromisse als einzigem Weg zum Frieden:
„Wenn jemand kommt, egal von welcher Seite der israelisch-palästinensischen Barrikaden, und sagt: ‚Das ist mein Land‘ – dann hat er recht. Aber wenn jemand kommt, egal von welcher Seite der Barrikaden und sagt: ‚Dieses Land, vom Mittelmeer bis zum Jordan, gehört mir und nur mir allein‘ – dann riecht er nach Blut.“
In den letzten Jahren sind leider, auf „beiden Seiten der Barrikade“ die Stimmen lauter geworden, die sagen: Dieses Land gehört nur mir und unserer Gruppe allein. Umso wichtiger ist es, dass wir heute hier mit Menschen zusammenkommen, die sich dieser Logik verweigern, die sich gegen Alleinvertretungsansprüche und für Frieden einsetzen: für einen echten Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen, nicht für einen falschen Frieden mit Hamas, Hisbollah und islamistischen Fanatiker*innen unterschiedlicher Couleur.
Auch mit der Netanjahu-Regierung wird dieser Frieden nicht zu machen sein; Netanjahu braucht den Krieg, um sein politisches Überleben zu sichern. Viele Hunderttausende gehen in Israel regelmäßig auf die Straße, um diesen Krieg zu beenden. Sie wissen: Um die Geiseln geht es Netanjahu, Smotrich, Ben-Gvir in ihrem verheerenden Zerstörungskrieg keine Sekunde.
Deshalb stehen wir heute hier solidarisch mit allen Menschen sowohl in Gaza und im Westjordanland als auch in Israel, die Frieden wollen – einen Frieden, der nicht die Auslöschung oder Unterdrückung der anderen Seite zur Voraussetzung hat, weder die Vertreibung der Palästinenser*innen noch der Israelis.
Wir glauben, dass es trotz allem noch sehr viele Menschen in Gaza und Westjordanland gibt, die einen demokratischen, friedlich mit Israel zusammenlebenden Staat Palästina dem aktuellen Terror- und Unterdrückungsregime der Hamas vorziehen würden. Und dass auch in Israel wieder Mehrheiten für eine mit internationaler Unterstützung und Sicherheitsgarantien untersetzte Zwei-Staaten-Perspektive gewonnen werden können, auch wenn diese die Auflösung vieler Siedlungen in der Westbank erfordern wird.
Ein geschwisterliches Zusammenleben aller Israelis und Palästinenser*innen in einem einzigen gemeinsamen Staat, diese von manchen vertretene Vorstellung ist, wie Fania Oz-Salzberger feststellt, spätestens durch das Massaker der Hamas in weiteste Ferne gerückt: „Deshalb ist nicht die Zwei-Staaten-Lösung seit dem 7. Oktober tot und begraben, sondern die Ein-Staat[en]-Lösung. Und Hunderttausende von Israelis [ – sie meint die linken und moderaten – ] fühlen sich in ihrem jahrzehntelangen Kampf für einen territorialen Kompromiss bestätigt. Wir sind die Linke, die linke Positionen nicht verlassen hat – weil die von uns vorgeschlagene Lösung die einzige unblutige Lösung ist, die uns bleibt.“
Lasst uns an der Seite all derjenigen Menschen stehen, die sich nichts sehnlicher wünschen als diese unblutige Lösung. Danke, dass ihr hier seid!
Salaam! Shalom!
[1] Vgl. https://www.rescue.org/de/pressemitteilung/watchlist-krisen-2025 und https://www.rescue.org/de/land/sudan
[2]https://www.zeit.de/wissen/2025-07/usaid-kuerzungen-donald-trump-usa-praesident-tote-studie-the-lancet
Meine Rede bei der East Pride Berlin
Am 29. Juni 2024 fand die EAST PRIDE Demonstration in Berlin statt. Inhaltlich legten die Organisator*innen einen Schwerpunkt darauf, dem eskalierenden Antisemitismus und Angriffen auf das Exisenzrecht Israels entgegenzutreten. Ich konnte nicht persönlich vor Ort sein, habe aber einen Redebeitrag beigesteuert, der auf der Demo verlesen wurde.
Liebe Queers,
liebe Anwesende auf diesem EAST PRIDE,
während meiner Zeit als Kultursenator durfte ich in Berlin den israelischen Schriftsteller Amos Oz kennenlernen. Amos Oz hat sich sein Leben lang für eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost eingesetzt. Oz hat auch die Friedensbewegung „Peace Now“ mitbegründet. Unbeirrt warb er für die Suche nach Verständigung und nach Kompromissen als dem einzigen Weg zum Frieden.
Amos Oz schrieb:
„Wenn jemand kommt, egal von welcher Seite der israelisch-palästinensischen Barrikaden, und sagt: ‚Das ist mein Land‘ – dann hat er recht. Aber wenn jemand kommt, egal von welcher Seite der Barrikaden und sagt: ‚Dieses Land, vom Mittelmeer bis zum Jordan, gehört mir und nur mir allein‘ – dann riecht er nach Blut.“
Amos Oz ist 2021 verstorben. Heute brüllen Menschen, die sich selbst für Linke halten, Parolen wie „From the River to the Sea“, mit denen sie die Auslöschung des Staates Israel verlangen. Manche tun das vielleicht aus Ignoranz und mangelnder Informiertheit, was im Land der Shoa schlimm genug wäre.
Allzu viele tun das aber leider auch in vollem Bewusstsein dessen, was sie da fordern. Amos Oz hatte Recht: Das riecht nach Blut.
Für mich war es erschütternd, wie schnell hierzulande das Massaker der Hamas auf israelischem Territorium am 7. Oktober verblasst, ja fast schon vergessen war, der größte Massenmord an Jüdinnen*Juden seit der Shoa. Das Schicksal der entführten Geiseln ist in den Hintergrund gerückt. Dass der gesamte Norden Israels seit acht Monaten beschossen wird und evakuiert ist, spielt in der Debatte kaum eine Rolle. Welches Land auf der Welt, wenn es derart massiv angriffen wird, würde sich nicht militärisch zur Wehr setzen?
Ja, der Zweck legitimiert niemals zugleich jedes Mittel. Die Bilder des Krieges aus Gaza und die furchtbare Situation der dortigen Zivilbevölkerung beschäftigen mich ja nicht weniger. Das Ringen um die Sicherheit Israels wird noch dadurch erschwert, dass das Land sich nicht auf seine Regierung verlassen kann. Im Gegenteil, das Bündnis Netanjahus mit Rechtsextremen scheint entschlossen, die ohnehin verzweifelte Lage noch auswegloser zu machen.
Hunderttausende Israelis gehen Woche für Woche gegen diese Regierung auf die Straße – ihnen fühle ich mich verbunden.
Vieles, was sich nach dem 7. Oktober in Deutschland Bahn gebrochen hat, hat aber mit Kritik an israelischem Regierungshandeln nichts zu tun – einer Kritik, die man ohnehin nirgendwo schärfer hört als jeden Tag in Israel selbst. Wir erleben eine Eskalation antisemitischer Vorfälle und Angriffe und Terrorverherrlichung. Die Sicherheit jüdischer Menschen ist massiv bedroht. Wer in Berlin Synagogen angreift, jüdische Menschen feindmarkiert und angreift, ist kein „Israelkritiker“, sondern Antisemit – und zwar in jeder denkbaren Definition des Begriffs.
Ich habe leider den Eindruck, dass auch in den queeren Communities nicht alle begreifen, was das für jüdische Menschen, auch für queere jüdische Menschen, bedeutet und wie sich das anfühlt. Wir müssen in der Lage sein, Antisemitismus klar zu erkennen und ihm zu widersprechen – das muss auch die gesellschaftliche Linke.
„Wenn die Linke die Rückkehr des mörderischen Antisemitismus nicht spürt, ist das ihr Ende“, sagte die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz kürzlich.
Eine Linke, die an Emanzipation festhält, eine Linke, der Freiheit, Gleichheit und Solidarität etwas bedeuten, steht an der Seite der Menschen, die in Israel gegen die Netanjahu-Regierung demonstrieren, und an der Seite jener Palästinenser*innen, die einfach nur in Frieden leben wollen. An der Seite derjenigen, die in Berlin zum Ziel antisemitischer Angriffe werden ebenso wie an der Seite jener, die von rechtskonservativer Seite rassistischem Generalverdacht ausgesetzt werden.
Eine Linke aber, die eine islamofaschistische Mörderbande wie die Hamas nicht von einer Befreiungsbewegung unterscheiden kann, braucht kein Mensch. Das ist dann einfach eine moralische Bankrotterklärung.
Und so sehr auf einen Frieden für Israel und Palästina hingearbeitet werden muss: „Mit jemandem, der einen tot sehen will, kann man nicht versuchen, Frieden zu schließen.“ Das schreibt die Historikerin Fania Oz-Salzberger, die Tochter von Amos Oz, und fährt fort: „Deshalb erhebe ich meine Stimme ausschließlich für diejenigen, deren Ziel ein unabhängiges Palästina und ein sicheres und demokratisches Israel ist, die nebeneinander existieren.“
Das sollte eigentlich – meine ich – ein Mindeststandard sein, auf den sich alle einigen können sollten, denen Leben und Würde aller Menschen etwas bedeutet. Danke, dass ihr heute dafür eintretet, dass die Existenz Israels und seiner Bewohner*innen für Menschen, die sich als progressiv bezeichnen, niemals zur Verhandlung stehen kann.
Erklärung
Wir haben uns in einer sehr pluralen Linken in der Überzeugung engagiert, dass eine demokratische, progressive linke Partei mit einer überzeugenden gesellschaftlichen Zukunftsidee und einer realistischen Perspektive für deren Verwirklichung hierzulande ein gesellschaftliches Potenzial und eine dringliche politische Gestaltungsaufgabe hat. Das ist aber kein Selbstläufer, der allein durch organisatorischen Aktivismus und Geschlossenheitsappelle erreicht werden kann. Dabei zukünftig wieder erfolgreich zu werden, setzt unabdingbar eine Reihe von inhaltlichen und strategischen Klärungsprozessen voraus. Dies haben wir immer wieder eingefordert und uns daran beteiligt. Es steht aber nach wie vor aus.
Seit einiger Zeit ist es uns jedoch immer weniger möglich, uns in unserem Landesverband für unsere inhaltlichen Positionen und unsere strategischen Orientierungen einzusetzen. Dies erlebten wir nicht zum ersten Mal bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus, sondern z.B. auch bei der Frage der Solidarität mit der Ukraine. Differenzen in der Sache werden stärker denn je – auch über die sozialen Netzwerke – personalisiert ausgetragen und zu „Machtkämpfen“ erklärt. Diese Tendenz gab es immer. Sie gehört in gewisser Weise zur DNA politischer Parteien. Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem sich in – für unser Selbstverständnis zentralen – politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachlich-inhaltliche Klärung nicht stattfindet. Die gestern beschlossene Resolution des Landesvorstandes bleibt weitgehend dem Modus treu, die zutage liegende Differenz verbal zu umschiffen. Auch zu den Ereignissen beim Umgang mit unserem Antisemitismusantrag auf dem Landesparteitag und in dessen Nachgang bleibt sie eher vage, von Konsequenzen ganz zu schweigen. Zumal diese Resolution über uns verhandelt wurde, nicht mit uns.
Wir sind weiterhin bereit, auf Grundlage des von uns getragenen Wahlprogramms als Mitglieder in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mitzuarbeiten. Als undogmatische, demokratisch-sozialistische Linke arbeiten wir weiter an unseren Zielen und beziehen politisch Position. Dazu gehört eines Tages vielleicht auch wieder das Engagement in einer sozialistischen Partei, die bereit ist, sich im Bewusstsein ihrer Geschichte den Herausforderungen für linke Politik in der Gegenwart in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu stellen. Momentan ist uns das aber nicht möglich. Deshalb erklären wir unseren Austritt aus der Partei Die Linke.
Wir bedanken uns bei allen Genoss*innen, mit denen wir in den vergangenen Jahrzehnten eng und gut zusammengearbeitet haben und wünschen ihnen viel Kraft und Erfolg. Mit vielen von ihnen werden wir auch weiterhin in der progressiven Linken zusammenarbeiten.
Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass wir für weitere Presseanfragen diesbezüglich nicht zur Verfügung stehen.
Elke Breitenbach, Klaus Lederer, Carsten Schatz, Sebastian Schlüsselburg und Sebastian Scheel
Schwerer Engpass bei wichtigem HIV- und PreP-Medikament
Der Senat muss endlich aktiv werden!
Ein Mangel an HIV- und HIV-Prophylaxe-Medikamenten gefährdet aktuell die Gesundheit tausender Menschen auch in Berlin. Angesichts dieser drastischen Lage darf der Berliner Senat nicht länger zusehen. Bisher begnügt sich die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege mit dem Verweis auf die primäre Zuständigkeit des Bundes. Doch Berlin ist besonders massiv betroffen, hier lebt rund ein Drittel aller PreP- Nutzer*innen in Deutschland.
Wir fordern: Berlin muss sich jetzt entschieden für politische Lösungen einsetzen. Der Senat muss Druck auf den Bund und die Krankenkassen machen. Mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen müssen belastbare Regelungen gefunden werden, die für die Dauer des Engpasses Sicherheit hinsichtlich der Übernahme der Kosten beim Import von Medikamenten und zur Erstattung des Originalpräparats bieten. Die Schäden und Folgekosten, die ein Anstieg der HIV-Neuinfektionen verursachen würde, wären um ein Vielfaches höher als die Beträge, die nötig sind, um jetzt die Versorgung mit Ersatzprodukten sicherzustellen. Es darf nicht sein, dass die Therapie von HIV-Patient*innen oder etwa die Postexpositionsprophylaxe nach Risikokontakten an finanziellen Erwägungen der Krankenkassen zu scheitern droht.
Queere Menschen besonders oft wohnungslos
Starker Einsatz für zielgerichtete Hilfen ist gefordert!
Ob sie von ihren Familien vor die Tür gesetzt werden oder aus einem repressiven gesellschaftlichen Klima nach Berlin fliehen – queere Menschen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, auf der Straße zu landen. Das wird in der Antwort des Senats auf eine neue schriftliche Anfrage von mir deutlich: Queere Menschen in prekären Lebenslagen sind auch in Berlin einem stark erhöhten Risiko von Wohnungslosigkeit ausgesetzt, während zugleich beim Zugang zu Unterstützungs- und Hilfsangeboten hohe Hürden für LSBTIQ* bestehen. Insbesondere für trans* und inter* Personen sowie von Mehrfachdiskriminierung Betroffene bestehen, wie auch der Senat anerkennt, in der bestehenden Struktur der Hilfsangebote Gefahren, bei der Suche nach Unterstützung erneute Diskriminierung zu erleben, weil die regulären Angebote nicht auf ihre spezifischen Bedarfe zugeschnitten sind.
Die Sicherung der bestehenden Unterstützungsprogramme und ihr Ausbau ist deshalb immens wichtig ist. Die noch vom Vorgängersenat angeschobene Studie zu Wohnungslosigkeit bei LSBTIQ* wird wichtige Erkenntnisse liefern, aber frühestens in einem Jahr vorliegen. So lange darf die Landesregierung nicht abwarten. Ich sehe Senat und Abgeordnetenhaus jetzt in der Pflicht, im Doppelhaushalt 2024/25 die drei bestehenden zielgruppenspezifischen Hilfsangebote für obdach- oder wohnungslose LSBTIQ* in ihrer Arbeit abzusichern und zu stärken. Zudem müssen finanzielle Mittel vorgesehen werden, um Erkenntnisse aus der Studie im Rahmen des dann beschlossenen Doppelhaushalts schnell in politische Maßnahmen umsetzen zu können.
Die Erfolge des „Housing First“-Ansatzes zeigen, dass niedrigschwellige Angebote gezielt zu einer Verbesserung beitragen können. Damit kann besonders auch wohnungslosen LSBTIQ* effektiv geholfen werden. Die Überlegungen für eine „AG Queeres Wohnen“ sollten schnell in die Tat umgesetzt und ein solcher regelmäßiger Austausch nicht nur eingerichtet werden, sondern auch regelmäßig mit Akteur*innen aus Politik, Verwaltung, Wohnungslosenhilfe und Zivilgesellschaft stattfinden.







